
|
Dreistromstein
|
Dreistromstein
Zwischen Friedrichshöhe und Limbach befinden sich am Rennsteig dicht beieinander Denkmäler aus ganz verschiedenen Epochen: Eins aus der Zeit Kaiser Wilhelms II., eins aus der Barockzeit und drei Soldatengräber aus dem Zweiten Weltkrieg.

|
|
|
Das hier am Saar besonders reichlich fallende Niederschlagswasser fließt – einmalig in Deutschland – sogleich drei verschiedenen Strömen zu: Der Elbe, dem Main und dem Rhein. (Das Ursprungsgebiet von Naab, Eger, Saale und Main im Fichtelgebirge ist dagegen erheblich weiträumiger.)
Auf engbegrenztem Gebiet entspringen nämlich im Schatten des Hochwalds drei Wildbäche, einer kaum 500 m vom andern, der Rambach, der nach Norden zur Schwarza in den Elbebereich hinabrinnt, die Grümpen, ein Nebenbach der zum Main hinstrebenden Itz, und das Türkengründlein, welches nach seiner Vereinigung mit dem Mutzgründlein die Saar bildet und als erster bedeutenderer Zufluss die junge Werra (Weser) verstärkt.
Durch die hohe Niederschlagsmenge bedingt sind in der unmittelbaren Nähe auch mehrere Moorflächen entstanden, deren Pflege eines der Hauptziele des Naturschutzes am Rennsteig ist.
Im Jahre 1906 wurde der Dreistromstein errichtet. Die Anregung zur Erbauung eines solchen hydrographischen Denksteins war von dem Alpenforscher Adolf Schaubach (1800 – 1850) ausgegangen, der in seiner Abhandlung „Übersicht des Herzogtums Sachsen-Hildburghausen nach seiner physischen Oberfläche“ (1832) unter besonderer Bezugnahme auf die dreifache Wasserscheide die Kenntlichmachung der bedeutsamen Landmarken durch steinerne Male oder Tafeln forderte. „Man könnte hier“, so scherzte Schaubach, „ein dreieckiges Haus bauen, von dessen dreiseitigem Dache das Wasser zum Rhein, zur Weser und zur Elbe hinabliefe“.
Der junge Rennsteigverein hatte dies aufgegriffen und auf seiner Jahreshauptversammlung 1903 den Bau des Dreistromsteines beschlossen. Technikumslehrer a.D. C. Kümpel, Leipzig, aus dem nahen Steinheid gebürtig, machte die Bauskizze, übernahm die Bauleitung und sammelte persönlich Spenden ein. Leider verweigerte die fürstlich-schwarzburgische Forstverwaltung die Einbeziehung ihres Gebiets, so musste die Anlage statt auf dem Saar gleich daneben, auf dem meiningischen Forstort Rattelsberg, errichtet werden.
Das Denkmal besteht aus einer dreiseitigen Sandsteinpyramide, die sich aus einem massiven Untergrund von rundlicher Form erhebt, gebildet aus typischen Gesteinen der jeweiligen Stromgebiete (Elbe: Granit, Rhein: Quarz, Weser: Grauwacke). Auf den Seitenflächen der Pyramide sind die Namen der oben erwähnten Bächlein nebst denen der sie aufnehmenden größeren Gewässer eingraviert. Darunter die Namen der Staaten, deren Grenzen und Hoheitsgebiete sich ehemals an diesem Punkte berührten: Schwarzburg-Rudolstadt, Sachsen-Meiningen-Coburg (als Nachfolger der reichsunmittelbaren Herrschaft Schaumberg) und Sachsen-Hildburghausen.

Die Einweihungsfeier begann am 7. Juni 1906 früh um 08:00 Uhr. Aus Limbach kamen die Mitglieder des Rennsteigvereins, dort hatte gerade ihre Jahreshauptversammlung stattgefunden. Fürsteher Ludwig Hertel erteilte zunächst Herrn Kümpel das Wort, nach dessen Rede wurde die Stiftungsurkunde verlesen. Ihr Wortlaut war folgender:
"Gemein derer Renner uf dem Waldhûz.
Nachdeme durch unsere Land- und Forstreiter in manchfacher Berechen- und Bereitunge recht und richtig ist ûzgebracht worden, wie hierselbst uf dem Saar ein Ort zu finden, allda die Wässerlin zu den drei großen Landströmen, als dem Rhein, der Weser und der Elbe, hinabrinnent, sie zu stärken und zu treiben, nämlichen die Grümpen zu dem Idisbach und fürder in den Main und Rheinstrom, die Saar aber hinab zu der Werra, so die Alten Wisaraha genennet, endlichen die Rambach zu der Schwarza dem Goldbächlin, so in die Saale und von dar mit ir in die Elbe hinabfleußt, Als hat der Verein derer Renner uf dem Waldhûz geteidinget und beschlossen, dass allhie männiglichen zu kund und wissenschaft, wie die drei Strombereich eines an das andere rüren und wenden, ein steinern Denkmal gegründet und ufgerichtet werde. Dazu han uz irem eigen Kasten beigesteuert:
...
Den Riss aber hat entworfen und den Bau hat mit vil Müh und Uf- und Niderfar geführet Const. Kümpel uz Hildburghausen, unser Gemein Mitglied.
Des alles wir wol in trewen und in alle Zeit gedenken wollen. Das Mal aber, so von unsrer Gemein gesetzet, sei dem Orte ein Markzeichen, der Gemein ein erenmal.
Hildburghausen, am 6. Jahr des Brachmondes nach unsres HERRN Geburt im 1906., unsrer Gemein aber im zehnten Jahr.
(gez.) Technikumslehrer C. Kümpel, der Gemein Bauherr.
(gez.) Prof. Dr. Hertel, der Gemein Fürsteher."
Nachdem die Urkunde in einer mit Glaszylindern umschlossenen Zinnbüchse in den Sockel eingemauert worden war, fand die eigentliche Namensgebung statt. Aus drei Bechern wurden Stein und Sockel mit Wasser begossen: Einem schwarzen mit Rambachwasser, einem roten mit Grümpenwasser und einem weißen mit Saarwasser. Dazu wurde folgendes Stabreim-Gedicht vorgetragen:
"So reiht euch zum Ring, ihr Ritter des Rennsteigs,
Und merket nun auf, ihr Maide und Männer!
Füll, Schenk, die Pokale, die schimmernden Kelche! -
Ich sprenge und spritze über sprossenden Efeu
Und über die Seiten der Sandsteinsäule
Das weihende Wasser, gebracht aus den Brünnlein
Dreier Bäche, die hier aus dem Boden dringen.
Dies rinnet hinab zum rauschenden Rheine,
Das wässert die grünen Wiesen der Werra,
Das dritte eilt abwärts zur Ebne der Elbe.
D r e i s t r o m s t e i n nenn' ich nunmehr dich mit Namen.
So stehe nun fest und standhaft, du Steinbild,
Dem Vereine zu Ehren, ein Wahrzeichen des Waldes!
Mögen schützen und schirmen vor Schaden und Schande
Dich die Geister des Waldes in Wind und Wetter!".
Man ließ das große geeinte deutsche Vaterland hochleben und sich von Hofphotograph Zinck aus Hildburghausen auf die Platte bannen, damit war die Weihestunde beendet.
Dreiherrenstein am Saarzipfel
Ein Wappenstein von 1733, auf der dem Dreistromstein gegenüber liegenden Rennsteigseite.
Gekennzeichnet ist er auf der Nordseite mit S(chwarzburg-)R(udolstadt), auf der Südostseite mit S(achsen-)C(oburg-Sonneberg), seit 1721 <1735> Sachsen-Meiningen und auf der Südwestseite mit S(achsen-)H(ildburg-)H(ausen), seit 1826 Sachsen-Meiningen.

Das heißt, durch die Vereinigung Sachsen-Meiningens mit Sachsen-Hildburghausen im Jahre 1826 verlor unser Stein seinen Rang als Dreiherrenstein, er trat zurück ins Glied der gewöhnlichen, zwei Gebiete voneinander trennenden Rennsteigsteine.
Nach dem Tode des Herzogs Albrecht von Sachsen-Coburg 1699 waren zwischen den überlebenden fürstlichen Brüdern hartnäckige Erbstreitigkeiten entstanden, deren endgültige Regelung erst 1735 durch ein „Reichshofrat-Konklusum“ erfolgte. Die Setzung des Dreiherrensteines bedeutet die Anerkennung des Konklusums durch die beteiligten Ernestiner.
Soldatengräber
Am 10. April 1945 hatten die US-Streitkräfte, von Eisfeld kommend, Friedrichshöhe erreicht, und zwar über die Eisfelder Ausspanne, denn der Saargrund war verbarrikadiert. In Friedrichshöhe blieb man über Nacht, musste aber am nächsten Morgen feststellen, dass ein Sergeant auf seinem Wachposten erschossen worden war.
Zuerst wurde vermutet, Einwohner hätten ihn umgebracht, und die wenigen in Friedrichshöhe noch vorhandenen Männer wurden zusammengeholt, als wolle man an ihnen Vergeltung üben – so weit kam es jedoch nicht.
Tatsächlich befand sich in Siegmundsburg noch ein Zug deutscher Soldaten, der den Vormarsch der Amerikaner zu stoppen versuchte. Der tote US-Sergeant ging auf ihr Konto. Dabei war der Krieg für Deutschland längst verloren, Hitler wartete in Berlin im Bunker seiner Reichskanzlei auf das Ende, jeder Widerstand gegen die Alliierten war längst zwecklos. Aber das schien den deutschen Zugführer nicht zu erschüttern.
Mit einem „ausgeborgten“ Fahrrad hatte er ausgekundschaftet, dass die Amerikaner von Friedrichshöhe her Richtung Siegmundsburg vorrückten. Seinen Zug ließ er an einer Panzersperre in der Nähe des Dreistromsteines Stellung beziehen, an der Kreuzung des Rennsteigs zum Türkengründlein und dem Rambach. Es kam zu einem Gefecht, sieben deutsche Soldaten blieben tot liegen, die restlichen flüchteten. Über amerikanische Verluste ist nichts bekannt.
Zwei Tage darauf erschienen Männer aus Siegmundsburg, um die Toten zu begraben – darunter der neue Siegmundsburger Bürgermeister, der eine entsprechende Anweisung durch die Amerikaner erhalten hatte. Die Leichen wurden in Zeltplanen gehüllt, vier legte man in das Grab an der Kreuzung, drei weitere kamen in ein Grab im Türkengrund. Am übernächsten Tag begrub der Beerdigungstrupp unweit der hinteren Werraquelle einen SS-Oberscharführer Hermann Ludwig aus München, er lag im Wald mit eingeschlagenem Schädel. Vermutlich seine eigenen Leute.
Aus dem Grab an der Kreuzung beim Dreistromstein wurde zehn Jahre später ein Leichnam auf Initiative von Angehörigen exhumiert. Noch in den 50er Jahren sorgten Leute aus der Umgebung für Holzkreuze und Namensplaketten (zwei tragen wohl ein unrichtiges Todesdatum, sie starben alle am 11. April).
Einer der drei im Grab verbliebenen Landser war der knapp 18jährige SS-Panzergrenadier Werner Wagner aus Menteroda bei Mühlhausen. Siegmundsburger Einwohner hatten dem jungen Kradmelder noch angeboten, ihn zu verstecken, um sein Leben zu retten – ohne Erfolg. Die Eltern Wagners erhielten 1947 eine Mitteilung, wonach ihr Sohn bei „Siegmannsburg“ gefallen sei. Dieser Schreibfehler hatte zur Folge, dass sie sein Grab niemals fanden.
Erst als vor wenigen Jahren der damalige Fürsteher-Stellvertreter des Rennsteigvereins 1896 e.V., Hans-Joachim Lemke aus Mühlhausen, seinem Arbeitskollegen Reinhard Wagner Rennsteigfotos zeigte, stutzte der beim Anblick des Soldatengrabes: Werner Wagner war sein Onkel gewesen! 56 Jahre nach dessen Tod stand er endlich am Grab. Gemeinsam mit Hans-Joachim Lemke sorgte er für eine Erneuerung der Holzkreuze. So schloss sich ein Kreis um die Tragödie am Dreistromstein.
Ullrich Göbel
Quellen:
- J. Bühring / L. Hertel, Der Rennsteig des Thüringer Waldes, 3. Aufl., Zeitz 1930
- DAS MAREILE, Bote des Rennsteigvereins, V. Reihe, Hildburghausen 1906
- Harald Rockstuhl (Hrsg.), Der Kampf um die Rennsteiglinie im Thüringer Wald im April 1945, Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2003
|
|